Montag, Juli 29

Warum die Münchner Weisswurst das Läuten der Glocken nicht hören darf!?

Seit einigen Monaten gehöre ich gleich 2 traditionellen bajuwarischen Vereinigungen an. Ich spiele in einer Schafkopfrunde und treffe mich mit alteingesessenen Freunden aus dem Münchner Südwesten zum Stammtisch.

Am Sonntag stand heuer erneut ein Frühschoppen in Großhadern an. Wie in anderen katholischen Gegenden Deutschlands auch, wurde er auf 12 Uhr nach dem Kirchbesuch gelegt. Passend dazu gab es die Frühschoppenmahlzeit Süddeutschlands:

Weisswurst, Breze, süßer Senf und dazu Weißbier.  

Traumhaft. Zum Glück mussten wir nicht im angrenzenden Augustiner speisen, dort hätte es nach 12 Uhr keine Weiwurst mehr gegeben. In traditionellen Häusern gilt noch immer die strikte Regel, dass nach 12 Uhr keine Weißwurst mehr verkauft wird. Nicht wenige resolute Wirtsfrauen habe ich schon um Punkt 12 dabei beobachtet die Angebots-Schilder reinzuholen.

Bisher haben mir die aufgeklärten Bayern immer weissmachen wollen, dass es die Weißwurst nur bis 12 Uhr gibt, weil Sie früher morgendlich frisch gemacht wurde und ob fehlender Kühlmöglichkeit frühzeitig verzehrt werden müsse.


Die Handwerker sind Schuld an der Weisswurstverknappung



Nun habe ich von einer weiteren Theorie gelesen:

Die Weißwurst galt als morgendlicher Snack der Handwerker und ist bis heute eine günstige Angelegenheit (hier: 99 ct.) - zum 150 jährigen Jubiläum waren einen Sommer in ganz München 2 Würste für 150 ct zu bekommen. Damit die Wirtshäuser mittags Platz für spendierfreudigere Kundschaft hatten, wurden die Handwerker um 12 Uhr herauskomplimentiert. Irgendwie scheint mir das für Money-Munich die plausiblere Deutung.

Gerne gebe ich noch kurioses zur Weisswurst preis:

  • die weisse Farbe der Weißwurst kommt vom Salz. Anstatt dunkeleres Pökelsalz kommt normales Kochsalz in die Weißwurst. Dazu noch Schweine- und Rindsfleisch und Zitrone und Kräuter wie Petersilie.
  • in angesehenen bayerischen Kreisen ist das "wie" beim Essen der Wurst umstritten -  und nur auf drei Wegen darf gegessen werden. 1. Man lutscht bzw. "zutzelt" Sie aus dem Darm. 2. Man teilt Sie mit Messer und Gabel in 2 Hälften und nun schält man Sie aus dem Darm. 3. Mit einem Kreuzschnitt beginnt man nach und nach die Haut abzuziehen  und den Inhalt abzutrennen.
  • Weißwurst wird von den Bayern niemals als Paar bestellt, sondern es wird immer die korrekte Anzahl an Würsten genannt.
  • Serviert wird die Weißwurst in einer Art Suppenschüssel im warmen Wasser, damit Sie schön warm und geschmeidig bleibt. In touristischen Wirsthäusern versuche ich dann immer Amerikaner etc. dazu zu animieren das Wasser, in dem sich die Würste tummelten als Tagessuppe zu empfehlen. 
  • Ganz wichtig: Weisswürste niemals kochen, dann platzen Sie! Einfach Wasser aufkochen -Herdplatte aus- Sprudeln abwarten und hinein mit den Weiwürsten. Nach 10 Minuten sind Sie perfekt.
An Guadn.



Montag, Juli 15

Münchner Hausberge: Tierischer Mythos an der Benewand

Endlich ist auch in München der Sommer vollends angekommen. Das heisst natürlich Biergarten, Sonnebrille, Isar und für mich in der letzten Zeit regelmäßig: Wandern.

Da ich eigentlich nicht jede Tour einzeln hier beschreiben möchte, picke ich einfach mal ein Schmankerl heraus. Die Münchener wandern ja nun schon seit über hundert Jahren. Nachdem das Wandern in den 90er Jahren noch als langweilig und uncool galt, haben die jüngere Generation und wohl auch die Sportindustrie einen hellen Moment gehabt und plötzlich wird wieder gewandert was das Zeug hält (und Geld dafür ausgegeben). Soeben habe ich gelesen, dass der Deutsche Alpenverein DAV sein 1.000.000tes Mitglied geehrt hat. Soviele Mitglieder wie noch nie. Sie werden jünger, sie werden weiblicher, unsere Wandersleute.

Lustigerweise haben sich die interessanten Berge rund um München natürlich in den letzten 100 Jahren nicht sehr verändert. Somit kann ich immer noch auf ein Buch zurückgreifen, welches Wanderungen auf die "Münchner Hausberge" beschreibt und schon über 30 Jahre alt ist. Um ein Münchner Hausberg zu werden, musst du mindestens 1600m hoch sein, am besten zum Startpunkt mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus München anreisbar sein, natürlich ein Gipfelkreuz besitzen und wenn möglich eine bewirtschaftete Hütte auf deiner Flanke haben.

Vor allem Berge rund um den Tegernsee, im Isartal, am Walchensee, im Estergebirge, den Ammergauer Alpen und im Chiemgau und dem Wetterstein erfüllen solche Kriterien. Unter den Hausbergern finden sich solch illustre Namen wie der Hirschberg, Wallberg, Heimgarten, Herzogstand, Kramer, Ettaler Mandl, Risserkogel, Rotwand, Wendelstein und -und nun kommen wir meiner Tour näher: die Benediktenwand.

Die Benediktenwand schafft es sogar mit Kosenamen angesprochen zu werden: Bezwinger und Bewunderer sprechen liebevoll von der "Benewand".

Die Benewand ist von München und dem Starnberger See der erste felsige Vorsprung der Alpen im Süden. Sie zieht sich in Ost West Richtung zwischen den Gräbern des Walchensee, des Loisachtals, der Isar und der Jachenau entlang. Der Name ist dem am Fusse des Berges gelegenem Kloster Benediktbeuern entnommen (- und wird dem ältesten Leser meines Blogs Bendikt G. sicherlich erfreuen).

Das Kloster ist nicht nur bekannt für seinen schönen Biergarten sondern gar weltberühmt in seiner lateinisierten Namensform. Kein geringerer als der der Komponist Carl Orff verarbeitete den Sensationsfund mittelalterlicher Mönchsgesänge aus dem Kloster zu dem welberühmten Chorstück "Carmina Burana" - was nichts anders als Lieder aus Benediktbeuren heisst (hier zum Beispiel im Animationsfilm 300 zu hören).

Aber zurück zur Benewand. Mit 1801m gehört sie nicht zu den höchsten Gipfeln der Alpen. Von der Jachenau ist Sie im strammen Marsch in 2 Stunden zu erreichen. Nur die letzten 300 Höhenmeter werden dabei zu einer mittleren Kraxelei. Beim Gipfelanstieg bin ich dann endlich auf das Mysterium gestoßen, weshalb der Berg schon lange auf meiner "must go" Liste steht.

Irgendwann Anfang der 60er Jahre soll sich ein mächtiger Steinbock (ja die Tiere, die man eigentlich nur aus der schweizer Tourismuswerbung kennt..) an den Fels der Benewand verirrt haben. Insgesamt gibt es in Deutschland nur an 3-4 Stellen Steinwildpopulationen, da die Tiere ruhige Hochgebirgslagen in den Südalpen präferieren. Der mächtige Steinbock an der Benewand war natürlich eine Sensation. Da die Benediktenwand, wie oben beschrieben recht isoliert liegt, war es für den armen Bock auch gar nicht so leicht den Münchner Hausberg wieder zu verlassen. Zum Glück erschreckte er keine Mountainbiker und frass keine Hühner und Hasen, so dass Ihm auch das Schicksal von Bruno Braunbär erspart blieb.

Ganz im Gegenteil: Mitte der 60er Jahre -der Steibock wurde immer mächtiger ob der fehlenden Nahrungskonkurrenz (die Hörner des Steinwildes wachsen ein Leben lang!)- entschied sich der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel (Vater vom Politiker Thomas Goppel) und der Verleger Franz Burda (Vater vom Verleger Hubert Burda) u.a. dazu dem einsamen Bock noch 4 weitere Stücke Steinwild aus der Schweiz hinzuzufügen. Eine Gedenktafel am Aufstieg erinnert an diesen heroischen Naturschutzakt.


Heute kann man das Steinwild bei guter Sicht an den Hängen der Nord und Südwand herumtollen sehen. Ein Steinbock kann immerhin bis zu 120 Kilo schwer werden gilt aber als äusserst graziler Kletterer. Leider hatte ich nicht das Glück einem Steinbock zu begegnen. Im Sommer halten Sie sich vermutlich eher auf der kühleren Nordseite auf. Den Steinböcken geht es hier so gut, dass alle paar Jahre die Kolonie wieder auf die maximale Anzahl von 80 Tieren durch Abschüsse reduziert werden muss.

Mit einem letzten Kraftakt ging es zum Gipfelkreuz, welches natürlich gut besucht war (es ist ja ein Münchner Hausberg). Hier habe ich mir eine westfälisch Brotzeit, bestehend aus Mettwurst, Brot und drei Schnaps gegönnt.


Somit konnten auf dem Weg nach unten wagemutige, schöne Bilder geschossen werden:
Bevor es durch die Jachenau nach dem Abstieg zum wunderbar blauen Walchensee ging. Der tiefste See Deutschlands glänzte mit kühlen Temperaturen, Badenixe und tollen Farben - ein Bad im See war ein Genuss.


Ebenso das Abendmahl im Kloster Benediktbeuern. Der Biergarten wurde von mir eindeutig unterschätzt. Wenn man nicht fahren muss macht es noch mehr Spass sich durch die Getränkekarte mit den süffigen Klosterbieren zu trinken.


Der Tag war ein echter bajuwarischer Klassiker. Benewand, ich muss aber leider nocheinmal wiederkommen, um die Nachkommen des mächtigen Steinbocks auch einmal aus der Nähe zu sehen.