Sonntag, Dezember 7

Wanderer über dem Nebelmeer

Obwohl es einen goldigen Herbst in München gab mit später Biergartensaison, liegt die Landeshauptstadt Bayerns seit Wochen nun unter einer Nebelglocke.

Im letzten Winter habe ich es nicht verwirklicht - nun habe ich Besserung gelobt. Sollte es in München schlecht sein, prüfe ich das Ski, Wander und Bergwetter, um noch was vom Wochenende zu haben.

Gesagt getan bot sich mir erst letztes Wochenende nach ca. 45 Minuten Anfahrt und 2:07 Minuten Wanderung auf die Notkarspitze folgendes Bild:

Blick hinunter vom Vorgipfel der Norkarspitze (1900m). Unten links erkennt man auf dem Bild die letzte Almhütte des Klosteranwesends Ettal.

Während München und das Oberland noch im Nebel liegen, wird oberhalb von 1.300 Metern schon über die Entfernung des nächsten Kleidunggstücks nachgedacht.

Dazu noch ein Gipfelbier bei fast 15 Grad, Sonne und grandioser Aussicht, machten es zu einer speziellen Tour. Und das Anfang Dezember. Dem Klimawandel sei Dank ist der Dezember scheinbar der neue Wander-Oktober.

Irgendwie war es ein grandioser Moment über der Wolkendecke zu stehen. So dass ich mich zu einem Rückenportrait hinreissen liess, was einem Maler der deutschen Romantik zu aller Ehre gereicht hätte. Abends habe ich es dann aneinandergefügt.

Voila: Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" und Heiner Tappes "Rückenansicht über Farchant mit Instagram Filter".

Wanderer Über dem Nebelmeer
Das Bild von Caspar David Friedrich beeindruckt mich schon lange. Irgendwie beschäftigt es mich, welche Gefühlsregung der Herr im Gehrock hat. Gerade weil ich sein Gesicht nicht sehe.

Zudem mag ich die Stimmung und Tiefe im Bild. Caspar David Friedrich war eine Maler der in der Nähe von Dresden zuhause war. Zwar hat er auch den Watzmann gezeichnet, dennoch hielt ich den Hintergrund seines Gemäldes immer für ein Teil des Elbsandsteingebirges hinter Dresden.
  
Die Recherche um das Bild hat nun erstaunliches zu Tage gebracht. Friedrich hat für sein Bild verschiedene Berge des Sandsteingebirges zusammengesetzt. Die Bergekomposition gab es nur in seinem Kopf. Bei Wikipedia findet man Vermutungen welche Felsen Friedrich nachgezeichnet haben könnte. Unter Ihnen findet vor allem der hinten rechts im Bild befindliche Zirkelstein bei Bad Schandau meine Bewunderung.

Zirkelstein Bad Schandau

Immer wieder bin ich erstaunt, welche geologische Vielfalt Deutschland zu bieten hat und glaube kaum, dass es sowas in Deutschland gibt.

Aber das es in das Ölgemälde von 1818 noch soviel mehr hinein zu interpretieren gibt hätte auch ich nicht gedacht. Das Rückengemälde von Friedrich steht auch für die deutsche Seele, die von den romantischen Malern befeuert wurde.

So sieht es beispielsweise die Welt in bei einem Kommentar zur Deutschlandumfrage:

Wenn es ein Bild gibt, auf dem ein Künstler die deutsche Seele eingefangen hat, dann ist es wohl Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer".
Das berühmte Ölgemälde entstand im Jahre 1818 und zeigt eine bürgerlich gekleidete Figur in einer imaginären Landschaft des Elbsandsteingebirges. Ganz in Schwarz gewandet, steht sie mit dem Rücken zum Betrachter; stützt sich auf einen Gehstock, blickt ins Tal und sinnt vor sich hin. Unten, im Nebel, wabert die Welt.
Das Bild machte als Ikone der deutschen Romantik Karriere.
Und wenn ein Historiker in Harvard, Yale oder Oxford erklären möchte, was mit den Deutschen im Moment nicht stimmt, dann braucht er bloß Friedrichs Nebelwanderer mit einem Overhead-Projektor an die Leinwand des Hörsaals zu werfen........

Eine schöne Erklärung der deutschen Romantik bietet auch das ZDF derzeit in der Histotainment Reihe mit dem grossartigen australischen Historiker Christipher Clark.

Soviel habe ich mir bei meiner Rückenansicht über Farchant nicht gedacht. Aber ein Gefühl der Freiheit, der Liebe zur Natur und der Zufriedenheit mit dem Einfachen will ich nicht abstreiten.

Auf dem Rückweg fand der Nebel dann auch Einzug ins Ettal und zwar mit Hochdruck. Unser Auto stand schon wieder im Grau. 

Nebel Ettal