An idyllischer Stelle im Herz des Karwendel liegt der
kleine Ahornboden. Hier steht im Schatten der
ältesten Bergahorne Europas das Denkmal für den Entdecker des Karwendels:
Hermann Freiherr von Barth.
Für immer erhalten bleibt sein Name in den nördlichen Alpen durch Namen wie die
von Barth Hütte, den
von Barth Steig oder den
Barthkamin. Ich selbst habe bei dem Namen
Hermann von Barth immer an einen dieser abenteuerlustigen Adeligen gedacht, die im 19. Jahrhundert Wettrennen um die höchsten Alpengipfel aus Langeweile und als royalen Sport betrieben. Wie falsch ich liegen sollte!
Am Samstag stehe ich bei einer Karwendeldurchquerung zwischen Karwendelhaus und Falkenhütte erstmalig selber vor dem Gedenkstein.
Zwei Sachen auf seinem
Gedenkstein machen mich mehr als stutzig: von Barth (*1845) wurde nur
31 Jahre jung, und starb nicht beim Bergsteigen in den Alpen sondern in
Angola,
Afrika (*1876).
Es wird noch suspekter. Und zwar "
jagte er sich in Westafrika eine Kugel in das fiebernde Herz" (wie in einem
Nachruf des Magazins "
Bergsteiger" steht).
Suizid des Karwendelentdeckers in Afrika!! Was für eine Wendung des Lebens! Da musste ich nachforschen!
Geboren und aufgewachsen ist von Barth in
Eurasburg am Starnberger See. Als Sohn des königlichen Kämmerers war die Familie gut begütert, Barth zog nach München studierte Jura und strebte eine Karriere im Staatsdienst ab
1867 an.
Er ging gerne mit seinen älteren Brüdern zur Jagd, liebte die Natur, war aber bis 1868 nur einmal auf den
Wendelstein gestiegen. Nun erfolgte die Versetzung von Regensburg nach Berchtesgaden ins Herz der deutschen Nordalpen und bei von Barth muss es "klick" gemacht haben! Von seinen Einsatzorten als Referendar in
Traunstein und
Sonthofen erkundet er die nördlichen Kalkalpen.
Zeit der ersten Gipfel
In den
Berchtesgadener Alpen ersteigt er in seinem ersten Einsatzjahr
69 Gipfel. 10 davon als Erstbesteiger. Er ist als Einzelgänger unterwegs und holt sich nur selten Tips von Schäfern oder Jägern. Die Bergführer, welche immer die gleichen Gipfel bestiegen, verachtet er. Doch Barth erweist sich nicht als der ungestüme Draufgänger. Er beginnt seine Touren minutiös aufzuzeichnen, erlernt das Zeichnen und sammelt sogar nebenbei noch kistenweise Mineralien.
Seine äußerst strapaziösen Unternehmungen betreibt er mit ungeheurer Intensität, ja er scheint geradezu lichterloh vor Energie zu brennen. Als Rechtsreferndar muss er damals ein Exot gewesen sein, der sich kaum in die juristische Gesellschaft und fürstliche Sommerdrische integrierte. Dafür erledigte er aber alle juristischen Aufgaben zur höchsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten.
Er lässt sich
1869 ins
Allgäu versetzen und erkundet von Sonthofen im Sommer
44 Gipfel, davon 3 als Erstbegeher. B
Er muss eine ungeheure Ausdauer besessen haben. Überliefert sind 10 stündige Touren von Oberstdorf zum Grossen Krottenkopf in 8 Stunden und darauf folgend den Hochvogel von Sonthofen in 9 Stunden.
Besonders interessant ist ein Verpflegungsdetail: sein
Trinkwasser nahm er stets in einer
Champagnerflasche abgefüllt mit in
die Berge.
Ansonsten bevorzugte er unterwegs Kaffee und "Liebigs Fleischextrakt". Zudem hatte er noch einen Pinsel und Farbe dabei, um sich am Gipfel namentlich zu verewigen.
Entdecker des Karwendel
Um zum heutigen
Entdecker des Karwendel zu werden, benötigt der rastlose Barth nur den einen
Sommer 1870. Er bezwingt wahnsinnige 90 Gipfel, 12 davon als Erstbesteiger (u.a. Birkkarspitze, mittlere Lalidererspitze oder neue Wege aufs Lamsjoch). Es werden seine Lieblingsberge. Die tiefen Täler sind einsam sind bis dato und nur von wenigen Jägern und Schäfern aufgesucht werden. Viele der Berge haben noch nichtmal einen Namen. Er zeichnet und schreibt weiter minutiös. Alleine sein Manuskript über den Bereich "
Aus dem Quellen-Gebiete der Isar: {Karwendel}" wächst am Ende auf über 970 Seiten an.
Mit seinem Ehrgeiz einen
Wanderführer zu schreiben, um nicht mehr auf ortskundige Führer angewiesen zu sein, begründet er einen komplett neue Herangehensweise im Bergtourismus.
Enttäuscht muss er aber im Winter des Jahres feststellen, dass niemand seine Beschreibungen als Buch veröffentlichen möchte. Die Zeit ist noch nicht reif. Barth ist seiner Zeit einfach voraus.
Das Jahr
1871 wird sein
Wettersteinjahr. Natürlich steigt er auch hier auf alle namenhaften Gipfel. So ist überliefert, dass Barth zunächst vom Reintaler Hof in Garmisch aus auf die Alpspitze und gleich am nächsten Tag im neunstündigen Marsch auf die Zugspitze lief! Welche sportliche Leistung! Ihm gelingen im bereits populären Wetterstein sogar Erstbegehungen u.a. auf den grossen
Waxenstein und die mittlere
Dreitorspitze.
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Wanderung mit Blick auf Barths Erstbegehungen im Karwendel |
Aus Enttäuschung über die mangelnde Nachfrage nach seinen Notizen, unterlässt er es aber im Wetterstein seine Aufzeichnungen weiterzuführen. Immerhin gibt er sich in den folgenden Jahren komplett seiner Passion hin, kündigt seine Stelle als Jurist 1872 und beginnt 1873 ein
Studium der Geologie, Geografie und Paläonthologie in München.
Da meldet sich
1873 unerhofft der Amthor Verlag aus Leipzig und möchte seine Notizen als Buch veröffentlichen. Von Barth holt einige seiner Notizen nach und 1874 erscheint ein umfangreicher, absoluter Klassiker der deutschen Bergliteratur:
Aus den nördlichen Kalkalpen.
Von Barth wird mit einem Schlag zum Begründer der
alpinen Führerliteratur und mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
Barth bleibt auch als Student ruhelos und zeigt seine Zielstrebigkeit, denn er promoviert bereits
1875 summa cum laude an der
philosophischen Fakultät. Zerstreuung findet er angeblich nur als einer der ersten Hochradfahrer in München.
Rastlos geht es in Afrika weiter
Mit Abschluss seines Studiums sucht von Barth eine neue Herausforderung. Im Jahr 1871 war der
Afrikaforscher David Livingstone mit einer grossen Pressekampagne von
Sir Mortan Stanlay wiederentdeckt worden. Dass muss auch im damals beschaulichen München grosse Aufmerksamkeit in den Zeitungen und bei Barth gefunden haben.
Und so passte es der "
Deutschen Afrikanischen Gesellschaft" wohl nur ganz gut, diesen intelligenten, draufgängerischen Wissenschaftler für eine
Westafrikaexpedition zu verpflichten. Im Januar
1876 tritt Barth die Schiffsreise von Hamburg auf den schwarzen Kontinent an. Auf der Zwischenstation auf den
Kapverdischen Inseln besteigt er schnell die wichtigsten Gipfel der Inseln und sammelt Daten.
Im Juli beginnt seine Reise ins innere der portugisische Kolonie
Angola. Hier wird der robuste Barth von einer Tropenkrankheit infiziert. Mitte August entschliesst er sich zur Umkehr und trifft am 1. November völlig entkräftet mit nur noch wenigen Trägern wieder in
Loanda ein. In seinem letzten Brief an die Familie vom 27. November vermerkt er: „… es liegt eine totale Erschütterung der ganzen Natur vor…“.
Am
7. Dezember 1876 macht Hermann von Barth, durch die tropische
Krankheit gezeichnet im Fieberwahn, seinem kurzen Leben mit einem Herzschuss ein Ende. Er ist
erst 31 Jahre alt. Man begräbt Ihn in Loanda.
Die
DAV Sektion Augsburg errichtete bereits 1881 an Barths geliebten kleinen Ahornboden, mitten im Herzen des Karwendels das heutige
Denkmal für eine der bedeutensten Persönlichkeiten der Alpingeschichte. Was hätte dieser tatendurstige Mann noch alles entdecken und welches ereignisreiche Leben leben können. Es blieb ihm verwehrt.
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Wehmütig blicke ich nun auf meine schönen Tage im Karwendel zurück. Im Gegensatz zu meinen Bergkameraden habe ich in diesem Jahr auf 2 Kraxelstecken verzichtet und setze auf den
klassischen Bergstock, den ich von der Gamsjagd kenne.
Erstaunt lese ich, dass auch Barth den
alpinen Stock als technisches Hilfsmittel gebrauchte:
"zur Überwindung von Spalten und Bächen
benutzte er einen langen Alpenstock, den er gleichsam als Sprungstab
einsetzte".
Sein alpiner Stock als Einsatzgerät für meine Touren, das bleibt mir vom Karwendelerschliesser!