Mittwoch, August 8

Die seltsame Geschichte der Insel Sassau im Walchensee

Am Wochenende haben wir es endlich geschafft. Mit einer Biwakübernachtung ging es zum Angelcamp an den Walchensee. Der Walchensee ist ein See der Superlative, Mythen und Besonderheiten. Es ist der tiefste See Deutschlands mit 180 Metern. So tief dass sich unten immer noch unverändertes Wasser aus der Eiszeit befindet.

Er glänzt wunderbar blau und grün und bietet Sichtweiten unter Wasser von unfassbaren 8-20 Metern. Das Seewasser beinhaltet hier kaum organisches Material aus Landwirtschaft oder Totholz, sondern es wird nur Gestein (Kalziumkarbonat) aus den Bergen hinzugespült. Und das macht eben diese einmalige Farbe aus.

Vom Ufer des Sees hat man einen wunderbaren Blick ins Karwendel oder das direkt angrenzende Ester Gebirge. Die anliegenden Herzogstand und Heimgarten zählen zur ersten Güteklasse der Münchner Hausberge.

 


Walchensee Chaos am Wochenende


Motorboote und Elektroboote sind am Walchensee verboten. Durch den aufkommenden Wind, der immer pünktlich Mittags um 11:30 Uhr von Urfeld einsetzt, haben den See aber nicht nur Badende entdeckt, sondern auch Segler, Wind- und Kite Surfer. Dazukommen Massen an SUP Sportlern und Grillsportlern und Sonnenanbetern. Die Konsequenz ist leider ein Parkplatz-, Müll- und Menschenchaos an den Wochenenden.

Die vielen Besucher sind nicht nur der Schönheit des Sees sondern auch der wachsenden Metropolregion München geschuldet. Aber weiter gehts mit den Superlativen. Hier wurden schon in den 50er Jahren Hollywood Wikinger Filme gedreht. Die Filmerei fand Ihre Fortsetzung als Drehlocation für die "Wickie" Filme von Bully Herbig. Die Landschaft kann mit den Fjorden in Norwegen oder Island mithalten, liegt aber deutlich näher an den Filmstudios der Medien Metropole München.

Erstaunlicherweise liegen Wracks von Flugzeugen und Autos im See, die Faszination auf Taucher ausüben - und überhaupt zum Ende des Krieges wurde hier das Gold der Reichsbank aufbewahrt (und vielleicht auch versenkt?). Nicht zu vergessen, dass ich das Walchenseemonster schon fotografiert habe.

Ökologische Sensation Insel Sassau

 

Ausatmen. Kommen wir zu einer sensationellen Neuentdeckung. Der See beherbergt nämlich eine kleine Insel am Südostufer mit dem Namen Sassau.


Die Insel Sassau (2,9 ha) steht unter Naturschutz. Das Betreten der Insel ist ganzjährig verboten. Die Insel ist 367 m lang und im Westen bis 93 m breit (im Osten nur halb so breit). Sie erhebt sich bis zu 12 m über den Wasserspiegel.

Und am Wochenende haben wir Sie mit dem Ruderboot auf der Angeljagd nach der Walchenseerenke umrundet. In grossen Lettern steht auf einem Schild "Betreten verboten. Vogelbrutplatz und seltener Eibenbestand".


Zuhause habe ich mich ob diesen skurrilen Zusatzes "seltender Eibenbestand" ein wenig über die Insel informiert. 

  

Rückzugsort für die Kloster im Krieg


Für die Insel galt nicht immer das Betretverbot. Bis zur Säkularisierung gehörte der See und das Fischereirecht zum Kloster Schlehdorf und Benediktbeuern. Gerade in der Fastenzeit, dürfte man sicher erfreut gewesen sein über eine frische Ladung Saibling oder Renke, die im übrigen erst um 1500 vom Kloster in den See eingesetzt wurden. Bis Ende des 15. Jahrhunderts gab es im Walchensee nur Hechte, Forellen und Barsche.

Als im 30jährigen Krieg dann die Schweden in Süddeutschland Angst und Schrecken verbreiteten, kam den Klosteroberen die Insel auf dem See wieder in den Sinn. Sie wurde als Rückzugsort genutzt, befestigt und mit Abwehranlagen ausgestattet. So überlebten die Mönchen diese Zeit zum Teil auf der Insel. Gleiches gilt für den Spanischen Erbfolge Krieg ab 1700-1713. Wenn man mal über den Schmied von Kochel nachliest oder die Sendlinger Mordweihnacht, fällt einem wieder ein, dass es hier zu blutigen Kampfhandlungen im bayerischen Oberland kam.

Nahe dem südöstlichen Ufer der Insel befand sich sogar eine Kapelle. Über eine etwaige land- und forstwirtschaftliche Nutzung in der Klosterzeit ist nichts bekannt. Holzbringung und Besatz mit Weidetieren waren durch die isolierte Lage erschwert und auf Grund der geringen Flächengröße wenig lukrativ, können jedoch nicht ausgeschlossen werden.

 

Die seltene Eibe findet auf Sassau einen Rückzugsort


Danach wurde es ruhiger um die Insel. Sie fiel mit der Säkulariaiserung 1806 in die Händer der bayerisch königlichen Forstverwaltung. Vom Festland abgetrennt konnte sich hier eine ungestörte Natur entwickeln. Eine Natur die noch so besteht wie rund um den Walchensee vor Jahrhunderten. Da weder Rotwild noch Rehwild die Insel auf natürlichem Wege betreten konnten, gab es hier keinen natürlichen Verbiss und die Natur konnte sich selbst erhalten und verjüngen.

Alte Urkunden bezeugen, dass auf der Insel bereits vor der Erfindung der Feuerwaffen Eiben wuchsen. Diese sollten vom Jäger gepflegt werden, da Ihr hartes Holz für den Bau von Armbrüsten benötigt wurde.
In der Neuzeit geriet dieser Baumbestand wohl in Vergessenheit, denn Eiben sind für Pferde giftig (Für Rehwild wiederum nicht) und wurde als natürlicher Bestand fast überall von den Forstbetrieben ausgerottet. Nur nicht auf der Sassau. Hier gibt es einen dichten Bestand an diesen einzigartigen Nadelbäumen.

Eine wissenschaftliche Arbeit der Goetheuniversität Frankfurt hat die Sassau mit dem benachbarten Wirtschaftswald am Festland verglichen. Sie kommen zum folgenden Schluss:


Die ungewöhnliche Rolle der Eibe im Naturschutzwald Sassau ist in erster Linie als Effekt der Insellage zu deuten. Zwar ist das Vorkommen von einzelnen Alteiben in den Nördlichen Kalkalpen, insbesondere rund um den Walchensee, keine Seltenheit, jedoch wird das Ankommen und Aufwachsen von Verjüngung durch Wildverbiss weitestgehend verhindert. Eiben erscheinen somit als Relikte einer wildärmeren Epoche, die nach der Säkularisation mit Einführung der Hofjagd, konsequenter Bekämpfung der Wilderei, Ausrottung der Großräuber und winterlicher Wildfütterung ihr Ende fand. Dadurch blieb nicht nur Eibenverjüngung aus, sondern es folgte eine großflächige Entmischung des Bergmischwaldes auf Kosten der Tanne, deren Anteil in jüngeren Beständen auf wenige Prozentpunkte zurückfiel Dem Wildverbiss entzogen, bewahrt die Insel Sassau eine von den verbissempfindlichen Schattbaumarten Tanne, Eibe und Buche dominierte Gesellschaft.


Die Insel wirkt dadurch von aussen richtig dicht und buschig. Einzelne Eiben sollen ein sagenumwobenes Alter von über 500 Jahren erreicht haben.
Ebenfalls durch die jahrhundertelange Ruhe hat sich eine Humusschicht von beinahe 1m gebildet, die in den Nutzwäldern um den See nur halb so stark ist. Als man es mit dem Betretungsverbot Mitte des 20ten Jahrhunderts noch nicht so ernst nahm, bekam die Insel den Beinamen "Liebesinsel". Es sollen Pärchen beobachtet worden sein, die zur Insel ruderten und sich ebenfalls dort zurückzogen. Die Gründe dürften allerdings andere als bei den Mönchen aus dem Kloster gewesen sein.

Heute dient die Insel vielen Vögeln als Rückzugsort oder Winter- bzw. Durchzugsquartier. Aufregung hat in letzer Zeit nur erzeugt, dass sich Mittelmeermöwen auf der Insel einquartiert haben. Vielleicht sehen Sie es ja so wie die Klosteroberen von 500 Jahren.

Keine Störung und umgeben von leckerem Saibling.