Sonntag, November 10

Eingemauert in Schwabing: Besuch beim geheimnisvollen Gurlitt Wohnblock

Nachdem ich schon einmal vom "Crime of the Century" in Australien gelesen habe, hat dies Ereignis wohl das Zeug zum "Art-Crime of the Century"! Und das hier in München!

Wie in dieser Woche der Focus herausfand, wurden in einer Wohnung in München-Schwabing, Kunstwerke im Wert von einer Milliarden Euro gefunden. Gemälde verschollen seit der Nazi Zeit. Dürer, Spitzweg, Chagall, Nolde, Kandinsky, Picasso und Toulouse-Lautrec: Unter den Künstlern befinden sich all Maler, die die Münchner Pinakotheken zu Weltruhm verhelfen und die Isarstadt zu einer Kunstmetropole machen.

Der Sohn des Kunsthändlers Hildebrandt Gurlitt -"Constantin Gurlitt" bewohnt(e) das Appartement in Schwabing, gemeinsam mit Konservendosen und Trockenknödeln. Man soll Ihn nie gesehen haben, immerhin war er gar nicht in München gemeldet, zahlte keine Steuern und selbst die Rundfunkanstalt hatte Ihn nicht auf dem Zettel.

Dennoch fand der Fall nun Aufnahme in der Weltpresse:

*Who ist the Mystery men behind Germany's 'Nazi-looted' art haul? (CNN)   
*Report of Nazi-Looted Trove Puts Art World in an Uproar (New York Times)
*British doctor believes family's missing masterpieces among Nazi art trove (Daily Telegraph)


Oder mit den Worten der Yellow Press, auf die in solchen Fällen immer Verlass ist:


*Heil Hidler: Nazi art hoarder has second stash of pics 
*Matisse, Chagall and Dix pieces found in Munich Nazi flat 
*Nazi art worth £1BILLION found in shabby flat after dealer's son hid Picasso and Renoir

Gurlitt Wohnung Schwabing Munich

Angestachelt von den reißerischen Berichten in den Medien, ging auch ich zunächst von einem Mega Kunstverbrechen im Rahmen von Nazi Beutekunst aus. Ich freute mich bereits auf eine 4. Pinakothek mit der Gurlitt Sammlung...

Leider sind die Dinge meistens komplizierter als man denkt. Viele der Bilder scheint der Vater des geheimnisvollen Herrn Gurlitt nämlich rechmässig erworben zu haben. Sie sind daher nun mutmaßlich in das Eigentum des heute 80 jährigen Schwabinger Rentners übergegangen.

Sein geheimnisvolles Leben finanzierte der alte Herr durch gelegentliche Verkäufer seiner Bilder zumeist in Schweizer Auktionshäusern. Wahrscheinlich hatte er auch ein Schweizer Bankkonto. Den deutschen Behörden war er aufgefallen, als er mit einer großen Summe Bargeld von der Schweiz auf dem Weg nach München war.

In München lebte er in einem Wohnblock in Schwabing. Es muss ein einsames Leben gewesen sein. Keinem durfte er verraten, keinem durfte er zeigen was für Schätze auf 30 QM in seiner Wohnung schlummerten. Nur alle Jubeljahre wurde ein Kunsthändler informiert dieses oder jenes Bild abzuholen.

Bilder wie das obige des Appartement-Blocks in Schwabing geisterte jedenfalls durch die Weltpresse. Grund genug für mich das Versteck einmal aufzusuchen. Doch wie findet man die Adresse eines Phantoms nur anhand eines Photos. Mein Spürsinn wurde geweckt. Die Abendzeitung gab mir letztlich den entscheidenden Hinweis: Eine Nachbarin wurde über den ominösen Herrn Gurlitt interviewed. Und Gräfin Valvasori wusste einiges zu berichten. Zum Glück war die adelige Dame nicht so zurückhaltend mit Ihren Daten wie Ihr Nachbar und vertraute auf einen Eintrag ins öffentliche Telefonbuch.

Auf ging es für mich zum Artur-Kutscher-Platz 1 an die Münchner Freiheit. Etwas Schmunzeln musste ich, als ich feststellte, dass ich hier bereits bei der letzten Bombennacht von Schwabing -der Entschärfung der Fliegerbombe- Stunden verbracht habe. Herr Gurlitt muss hier knapp einer Evakuierung entgangen sein, aber einen Wahnsinns Blick auf das Bomenentferno gehabt haben.

Der Wohnblock machte auf mich einen abweisenden Eindruck. 6 stöckige kalte Krieg Optik, dafür aber mit jeder Menge großer Balkone und Dachterassen für sonnenverwöhnte und zahlungskräftige Münchener. Auf den ersten 3 Metern Richtung Hauseingang starrten mich 3 Verbotsschilder an: Keine Fahrräder, keine Hunde, kein Zutritt. 

Gurlitt Wohnung schwabing

Ein Blick in das Foyer offenbarte einen Empfangsbereich fast von Hotelgröße und 2 Fahrstühle. Typisch Schwabing: Wohnung mit großem Balkon, nahe am Englischen Garten, Sonnenseite. Dafür  werden beim äußeren Abstriche gemacht. Dafür hat man seine Ruhe.

Direkt neben der Wohnanlage ein Taxistand, an dem Fahrzeuge mit laufendem Motor warteten. Die Fahrer wussten um Ihr Geschäft. Die alten Herrschaften der Umgebung zahlen sicherlich gerne in bar und mögen keine Öffis.

Eine echte Überraschung wartete bei der Ansicht des Türschildes. Alles fein säuberlich alphabetisch sortiert, damit man sich schneller zurecht findet. So fiel mir ein Name in der Mitte des silbernen Klingelschildes sofort ins Auge: "Gurlitt". Geklingelt habe ich nicht.

Türschild Gurlitt Wohnblock schwabing

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