Sonntag, Juni 20

Rauchen? ja-nein-vielleicht...


















Die bayerische Landesverfassung gewährt ein interessantes direktes Demokratieelement. Das Volksbegehren, immer wieder auch auf Bundesebene gefordert. Stimmen 10% der wahlberechtigten Bayern einem Volksbegehren zu, so muss das Begehren entweder direkt in ein Gesetz umgewandelt werden, oder aber es kommt zu einem "ja" oder "nein" Volksentscheid. Die einfache Mehrheit zählt dann.


Soweit ist es nun am 4. Juli. Es geht um das rigorose Rauchverbot der kompletten Gastronomie.
Eine "amtliche Wahlbenachrichtigung" liegt mir bereits vor. In den Münchner Strassen tobt einmal mehr der (Plakat)Wahlkampf. Ja oder Nein?

Das Rauchverbot hat in Bayern eine wechselvolle Geschichte hinter sich:
Bereits zum 01.01. 2008 wurde ein striktes Rauchverbot mit 84% der Stimmen im bayerischen Landtag verabschiedet. Im März 2008 verliert die CSU dann deutlich Stimmen bei der Kommunalwahl, als Reaktion wird das Rauchen in bayrischen Festzelten schnellstens wieder erlaubt.
Das Bundesverfassungsgericht hält daraufhin völlig rauchfreie Gaststätten für im Juli 2008 zwar für verfassungskonform. Es kippt jedoch Rauchverbote in allen Bundesländern außer Bayern wegen Ungleichbehandlung der Gaststätten. Das bayerische Gesetz gilt eigentlich als vorbildhaft und verfassungsgemäß.

Jedoch haben sich schon vorher viele Kneipen von öffentlichen Gaststätten zu nicht-öffentlichen "Raucherclubs" verwandelt, in denen gepafft werden darf. Das treibt in München lustige Blüten:
In der Kilombo Bar im Westend komme ich nur rein, wenn ich an der Tür klingele und die Theke
nkraft den Türöffner mit einem Summen bedient.
Die Spitze des Eisberges erlebt man im Valentin Stüberl im
Dreimühlen- nviertel. Erst wenn ich mir für 10 € Pfand einen eigenen Schlüssel für die Kneipe (im Bavarese ggü.) machen lasse, darf ich eintreten. Jeder Gast schliesst dann die Lokaltür zum Stüberl auf wann er möchte und tritt ein (OK, während der Öffnungszeiten)! Gehen wir auf eine Kneipentour ins Glockenbach (soll vorkommen...) habe ich mittlerweile schon immer 3 Raucherclubkarten dubai.

Die bayrische CSU/FDP Regierung beschliesst Anfang 2009 das Rauchen in vielen kleinen Gaststätten wieder zu genehmigen. Das noch gültige Nichtrauchergesetz wird nur noch wenig eingehalten und scheinbar auch wenig kontrolliert.

Mitte 2009 entscheidet sich die Nichtraucher-Initiative München zum Volksbegehren „Für echten Nichtraucherschutz!“, um das ursprüngliche Gesetz zu erhalten und die Schlupflöcher zu schließen: Für rauchfreie Gaststätten – ohne Ausnahmen! Anstatt der notwendigen 10 % der Wähler unterschreiben sogar fast 14 % aller Wahlberechtigten und nun wird in 2 Wochen entgültig entschieden.

Auch ich habe damals unterschrieben. Ich rauche nicht, ärgere mich aber regelmässig über stinkende Klamotten am nächsten Tag. Die Befürchtungen, dass Bars nun nach Toiletten und Schweiss riechen waren unzulässig.
Bei Auslandsaufenthalten in Finnland, Irland, Spanien, Neuseeland und Australien (alle mit Rauchverbot) fand ich die rauchfreie Atmosphäre in den Kneipen super. Raucher stehen dann meist vor der Tür oder auf einem Balkon zur Suchtbefriedigung. Da kann man gut auch selbst mal frische Luft schnappen und sich dem "Smirting" (Mischung aus Smoking und Flirting) mit "hasse mal Feuer" hingeben.

Somit war meine Entscheidung bisher klar, dass auch ich für ein Rauchverbot in der Gastro stimme (Also "Ja").

Das obige, interessante Plakat mit dem unbedeckten Hinterteil hat meine Aufmerksamkeit auf die Gegner des Rauchverbots gelenkt. Die Gegner haben sich den gewichtigen Namen Aktionsbündnis für Freiheit und Toleranz gegeben. Die Gruppe besteht weitestgehend aus Lobbyisten der Tabakindustrie, Wiesnwirten und Brauereien. Das Bündnis gibt zu bedenken, das bereits jetzt 85% der Gastronomie rauchfrei ist. Zudem würden Kosten für Kontrollen von rauchfreien Festzelten auf den Verbraucher in höheren Preisen umgelegt. Überhaupt: Warum könne sich der Markt von Raucherkneipen und Nichraucherkneipen nicht über Angebot und Nachfrage regeln? Und verträgt sich eine so stringente Verbotspolitik und Überwachungstendenzen mit dem Freistaat Bayern?!

Dass das "Ja" auch noch von der ÖDP und den Grünen, und das "Nein" von Teilen der CSU und den Liberalen unterstützt wird macht mir die Entscheidung nicht leichter. Bisher weiss ich nur, dass sich viele Fragen nicht auf eine blosse Ja/Nein Abstimmung reduzieren lassen. In der Beziehung bin ich ganz dacore mit unserem Altbundeskanzler Helmut Schmidt, einem Gegner von Plebisziten auf Bundesebene.

Wie er wohl abstimmen würde? (:-)

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