Sonntag, April 27

Tierische Gedenksteine: Meine Besuche bei den letzten Ihrer Art

Felsen in NRW zu finden ist gar nicht so einfach. Zwar lebe ich in München auf 550m Meereshöhe, meine Heimatstadt Haltern am See bringt es aber nur auf 40m über NN. Die nächsten Felsen findet man mit Glück im Teutoburger Wald oder aber im Siebengebirge oder der Eifel.

Das Sauerland wird am Kahlen Asten bis zu beeindruckenden 840m über NN hoch und es ist daher und ob der Besucher auch als die holländischen Alpen bekannt. Bildlich denkt man allerdings eher an Fachwerkhäuser mit Schieferdächern und vor allem sanft, bewaldete Hügel mit Fichtenbewuchs.

Die Google Bildersuche bestätigt meine Annahme:


Und so ward ich lange Zeit nicht im Sauerland gesehen mich zog es eher in die Alpen, die sowieso näher lagen. Ich glaube es war ein Bildband NRW, der mich staunen lies. Denn es gibt eine Ausnahme von der immergleichen Landschaft im Sauerland.
Author in Wandererkluft an den Bruchhauser Steinen

Südlich von Meschede ragen aus der üblichen Sauerlandschaft nämlich 4 Felsen empor mit bis zu 90m senkrechter Felswand. Sie heißen die Bruchhausener Steine, und sind eruptierte Lavaklötze, die einfach trotzig einige Millonen Jährchen stehen geblieben sind, während sich die Welt rundherum veränderte. Ein lohnenswertes Wanderziel, leider fast unbekannt für die 15 Millionen Menschen im 100km Umkreis.

Felsen Sauerland Bruchhauser steine
Die Bruchhauser Steine vom höchsten Punkt

Der letzte Uhu, der letzte Wanderfalke: Zeugen einer kulturellen und ökologischen Wende


Was mich neben der geologischen Sensation noch viele mehr interessierte war die Flora und Fauna rund um die Steine. Kälte und Felsen lassen hier im Sauerland Blumen erblühen wie die Alpen Gänsekresse, die sich nur hier und sonst erst wieder 600 KM südlich in den Alpen finden lassen.

Ob der einzigartigen Felsformation fanden hier auch 2 der beeindruckendsten und seltensten Vogelarten vorerst für lange Zeit Ihr letztes zuhause in NRW. Im ausgehenden 19. Jahrhundert bereits nistete das letzte Uhu Pärchen NRWs auf dem Felsen in Bruchhausen.

Uhus bauen keine eigenen Nester und lieben daher Felsen oder Türme. Von allen Türmen in Westfalen war die größte Eule Europas aber als Nahrungskonkurrent bereits erfolgreich vertrieben worden. Als man von den letzten Uhus hier im tiefen Sauerland hörte, war auch Ihr Schicksal schnell besiegelt. Man entschied sich zwar nicht Sie direkt auszulöschen, aber brachte die 3 Nestlinge und den Altvogel in den Zoo nach Münster. Von Ihrem weiteren Schicksal ist wohl nicht viel bekannt. Ein erfolgreiches Nachzuchtprogramm war es wohl auch nicht.
Immerhin habe ich selber mit eigenen Augen wieder Uhus in abgelegenen Teilen des Münsterlandes fliegen sehen. Das veränderte Bewusstsein in der Bevölkerung lässt die Population wieder wachsen. Auch auf den Steinen habe ich große Eulenkotflecken gesehen, so dass ich den Uhu wieder dort vermute.

Ebenso für den Wanderfalken waren die Bruchhausener Steine das allerletzte Refugium. Als einer der schnellsten flugfähigen Vögel ernährt er sich von Vögeln bis Krähengröße, die er im Flug durch den Aufprall schlägt. Außer unter Taubenzüchtern dürfte er eigentlich ein zwar seltener aber akzeptierter Gast in der Gegend gewesen sein.



Beim Wanderfalken war es daher nicht der Mensch, sondern Umweltgifte, welche ab den 60er Jahren in der Forst und Landwirtschaft eingesetzt wurden. Da der Wanderfalke am Ende der Nahrungskette steht, bekam er die volle Dröhnungab. Die Gifte führten dazu, dass die Eier des größten Falken Deutschlands beim Brüten zerbrachen.

Der letze Falke dieser Art wurde in den 70er Jahren an den Steinen gesichtet. Durch das Verbot der Umweltgifte und das Überleben der Vögel in Baden Württemberg kam es zur Zuwanderung neuer Falken. Neben der Brutstätte im Sauerland fand die zweite Brut ausgerechnet auf der bekanntesten Kirche NRWs statt. Der hohe Kölner Dom und die tausenden von Stadttauben waren ein ideales Brutrevier für den Wanderfalken.

Der letzte Wolf, Bär und Luchs als Denkmal vereint

Kneipe Herbern zum letzten Wolf

Bei großen Raubtieren spielt nicht nur die Nahrungskonkurrenz zum Mensch eine Rolle. Getrieben durch Grimms Märchen vom bösen Wolf und Rotkäppchen, Werwolfgeschichten und Horrorfilme blieb das Verhältnis von Mensch und Ihnen angespannt. Als Gefahr für den Menschen identifiziert wurde so lange Jagd auf Sie gemacht, bis man Sie in Deutschland ausgerottet hatte.

In Herbern bei Ascheberg südlich von Münster steht ein Gedenkstein, der an die Erlegung des vermeintlich letzten Wolfs Westfalens im Jahr 1835 erinnert. Praktischerweise befindet sich gegenüber eine echt urige Westfälische Kneipe mit dem Namen „zum letzten Wolf“.


Gedenkstein letzter Wolf Westfalen


Der Erleger des letzten Wolfs war ein Vorfahr des letzten Kneipiers. Denn die urige Kneipe musste leider schließen, die Kundschaft aus Bauern und Milch-LKW-Fahrern hat sich genauso verändert wie die Aussage des Gedenksteins. Vor ungefähr 2 Jahren wurde nämlich der erste Wolf wieder in Westfalen gesichtet. Eingewandert aus Niedersachsen tappte er im Raum Höxter in eine Wildkamera.      

Eine ähnliche Gaststätte befindet sich an einem nördlichen Ausläufer des Thüringer Waldes im langgezogenen dunklen Luisental. Mit der Mitfahrgelegenheit fuhr ich von München nach Eisenach, von wo ich zur Wanderung am „grünen Band“ aufbrach. Der etwas verschrobene Fahrer entpuppte sich als redseliger Mitarbeiter im Forstministerium und machte mich auf eine ebenfalls bereits geschlossene Gaststätte mit dem Namen „zum  Luchs“ aufmerksam.
Der letzte Luchs des Thüringer Waldes wurde im März 1819 nach wochenlanger Nachstellung im Stutzhäuser Forst am Böhler bei Luisenthal zur Strecke gebracht. Ein Luchsstein erinnert noch heute an das denkwürdige Ereignis. Das Wirtshaus, in dem damals der „Jagderfolg“ gefeiert wurde, trägt deshalb den obigen Namen ”Zum Luchs”.

Die größte Raubkatze Europas ist mittlerweile wieder in vielen Mittelgebirgen Deutschlands wieder heimisch. Auch wenn er hier und da immer noch illegal verfolgt wird.

Unterhalb der Zugspitze in Garmisch –Partenkirchen befindet sich das Dorf Grainau. Etwas höher gelegen liegt mit dem Eibsee der schönste und klarste Gebirgssee Deutschlands. Die letzten wilden Braunbären Deutschlands hielten sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in den bayerischen Alpen auf.

Eibsee Grainau Zugspitze Bären
Der Eibsee: Hier waren die letzten Bären Oberbayerns zu Hause. Und 2006 erneut.

Die vermehrte Nutzung der Berge zum Waldbau, die Rodung der Flächen für Schafe und Kühe führten zum Aufeinandertreffen und Konkurrenz der Spezies Mensch und Bär. Zwar soll der allerletzte Bär in der Nähe von Lenggries erlegt worden sein, aber auch in der Ortsmitte von Grainau erinnert ein Schild an das Vorkommen der letzten Bären in Grainau in der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts. Das der Bär 2006 zurückgekommen ist und erneut vertrieben wurde ist ein anderes unrühmliches Kapitel.

Der letzte Beutelwolf  für immer


Alle oben genannten Beispiele zeigen, dass sich Raubtiere wieder ansiedeln können, wenn sich die kulturellen und ökologischen Rahmenbedingungen verändern. Das wäre dem Beutelwolf vielleicht auch gelungen. Nur hinkt man am anderen Ende der Welt der zeit hinterher. Die Insel Tasmanien gehört zu den abgelegensten Flecken der Erde. Ab hier kommt nur noch das ewige Eis im Süden und nach 30.000 km im Westen Argentinien. Australien –als Strafkolonie der Engländer gegründet, sickte wiederum seine Sträflinge nach Tasmanien.

Ungestört wurden hier bis ins späte 19te Jahrhundert Aboriginies willkürlich ermordet. Wer seine Ureinwohner in 72 Jahren erbarmungslos ausrottet, dem werden ein paar fleischfressende Känguruhs wohl erst recht egal sein.  Denn soetwas war der Beutelwolf. Er bewegte sich zwar wieder auf 4 Beinen fort, aber seine Vorderläufe waren viel kürzer und der Schwanz recht steif. Man vermutet, dass er gar nicht richtig sprinten konnte, sondern nur traben. Das reichte aber um im fast menschenleeren Tasmanien erfolgreich einige tausend Jahre zu leben.

Die Siedler schafften es den Beutelwolf in 100 Jahren komplett auszurotten. Zunächst gab es Prämien für den vermeindlichen Schafdieb (obwohl er vermutlich nie Schafe riss), später verkaufte man die Tasmanischen Tiger an Zoos weltweit (wo Sie sich nie forpflanzten).

Ich hatte das Glück Tasmanien im Jahr 2008 zu bereisen. In meinem Guiness Buch der Rekorde 1990 wurde der Beutelwolf noch als das seltenste Tier der Erde genannt, aber ein Foto oder totes Tier konnte man seit 1936 nicht mehr machen oder finden.



Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen die Orte der letzten lebenden Tiere aufzusuchen. In Mbwanna südwestlich von Launceston fand ich ein Schild mit dem Hinweis auf den letzten erlegten Tiger. Der Farmer Wilf Batty posiert hier stolz mit dem erlegten Tier.

An diesem Ort hatte man nun wirklich das allerletzte Individuum einer faszinierenden Tierart erlegt. Hier bringen auch ökologische Projekte, Wildbrücken und kulturelles Umdenken nichts mehr. Ein denkwürdiger Ort.

Das Schild wurde vom Tourismusamt aufgestellt, die den „Tiger Trail“ vermarkten. Es steht neben der Garage der freiwilligen Feuerwehr. Ziemlich schräg hing es über seinem Sockel. Ein Farmer mit Güllefass, der das angrenzende Feld beackerte hatte es wohl kurz vorher fast plattgefahren.        


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